Sonntag, 3. Januar 2010

Poker- und Tradingfehler

Poker- und Tradingfehler

Vor einigen Nächten war ich sehr aufgewühlt und verärgert. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so sauer gewesen bin und begann in dieser Gefühlslage zu pokern. Als ich dann am nächsten Morgen darüber nachdachte wie das Spiel verlaufen ist, gewann ich einige sehr wichtige Erkenntnisse über mein Verhalten beim Pokern (die Schlussfolgerungen kann man auch sehr gut auf das Trading übertragen). Also lassen Sie mich erzählen, was vorgefallen war.

Ich spiele online auf einer Seite, die einem jede Stunde $1,000 an Spielgeld kostenlos als Startkapital zur Verfügung stellt (so kann man immer wieder von vorn beginnen, falls man einmal sämtliche Chips verliert). Und glauben Sie mir - wenn sie über einen längeren Zeitraum dort erfolgreich pokern und sich ihre Gewinne auf über eine Million in Chips summiert haben, dann respektieren sie auch ihre Spielgeld-Gewinne und verlieren sie nicht gerne wieder.

Ich habe aktuell über $20 Millionen an Spielgeld angehäuft, und ich kann jede Nacht einige Millionen dazu gewinnen, wenn es gut läuft. Zudem kann ich $500000 an Spielgeld in $2 reales Geld eintauschen, wenn ich bei einem Turnier unter die ersten 18 Plätze komme. Wenn ich spiele, dann solch ein Turnier.

Als ich nun mit diesem ärgerlichen Gefühl zu spielen begann, verpasste ich prompt den Beginn „meines“ Turniers, was meinen Ärger nur noch steigerte. Danach registrierte ich mich für ein Turnier mit 90 Teilnehmern, was mich $1 echtes Geld an Teilnahmegebühr kostete. Ich machte keinen gravierenden Fehler beim Spiel und verlor dennoch – was mich noch ärgerlicher, ja richtig wütend machte. An diesem Abend schien alles im Zusammenhang mit Poker gegen mich zu laufen und meinen Groll weiter zu steigern.

Erst verpasste ich den Beginn meines Turniers, das ich eigentlich spielen wollte. Dann verlor ich das $1 Turnier. An diesem Punkt beschloss ich nicht weiter um echtes Geld zu spielen, da es nicht mein Abend war. Stattdessen wollte ich nun noch einige Millionen an Spielgeld einsammeln. (Falls Sie es bis jetzt noch nicht realisiert haben – ich sollte wirklich nicht spielen wenn ich ärgerlich oder wütend bin).

Als nächstes verlor ich richtig viel – rund 2 Millionen an Spielchips. Ich hatte Pech und zudem machte ich möglicherweise einige Fehler. In einer Hand hatte ich 77 und auf dem Flop kam AA7. Ich hatte ein Full House. Mein einziger Gegner in dieser Runde hatte AK. Dann kam auf dem Turn ein König und ich verlor alle meine Chips! Dieser Verlust brachte mich weiter in Rage, aber noch war ich im Rahmen meines regulären Limits. Also spielte ich noch ein weiteres Match. Dabei kam eine Hand, die mich wirklich zum Glühen brachte, denn hierbei verlor ich weitere 3 Millionen! Alle meine Fehler und Verluste hingen mit meinen Gefühlen der Wut und des Ärgers zusammen. Diese Erkenntnis kam mir aber erst am nächsten Tag.

Meine Einstellung, meine Fehler
Ich schildere Ihnen einige meiner Gedanken, die mir vor und während dieser speziellen Hand durch den Kopf gingen und auch meine Gegner betrafen:
- Diese Idioten sollten meine hohen Wetten nicht mit schwachen Händen callen. Sie hatten nur Glück und die richtigen Karten bekommen.
- Pokerspieler sollten vernünftig spielen.
- Andere Pokerspieler sollten mich respektieren.
- Dieser andere Typ markiert nur den starken Mann. Dabei ist seine Spielweise verrückt.

Das waren meine Gedanken. Sicher, ich glaubte diese Dinge bei den anderen Spielern zu sehen, nicht aber bei mir selbst. Ich dachte, dass ich ein Opfer dieser anderen Spieler bin. Was also passierte in dieser Hand? Ich musste als Big Blind $20000 an Spielgeld setzen und bekam als Starthand 45 in Karo. Normalerweise spiele ich diese Art von Händen nicht, aber ich war sauer.

Insgesamt waren fünf Leute in die Hand verwickelt. Der Button erhöhte meinen Einsatz um das Doppelte. Jeder ging mit, inklusive mir. So befanden sich schon $200000 im Pot. Im Rückblick betrachtet, war mein Call gar nicht so schlecht. Es kostete mich $20000 mitzugehen, und ich bekam dafür eine Gewinnquote von 10:1 für meinen Einsatz.


Auf dem Flop zeigte sich 2,3,5. Ich hatte somit einen Straight Draw und das Top-Paar getroffen. Ich war zuerst an Reihe und wettete $200000, also die Höhe des Pots. Niemand war in einer besseren Position als ich, es sei denn er hatte ein höheres Paar als Starthand.

Daher wollte ich durch die Höhe meiner Wette jeden aus dem Spiel drängen, der möglicherweise auf dem Turn oder River noch ein höheres Paar als ich bekommen könnte. Alle am Tisch stiegen aus, außer dem Typen vom Button. Er hatte als Starthand 72 in Karo. Er hatte also noch die Chance auf einen Strait Draw, wenn die nächste Karte eine 4 oder eine 6 sein sollte. Oder die Chance auf einen Drilling, wenn sich noch eine 2 zeigen sollte. Keine guten Aussichten für ihn. Was er machte – meinen Einsatz zu callen, mit dieser Art von Hand! – bezeichne ich daher als idiotisches Spiel Nun waren $600000 im Pott. Als Turnkarte kam eine 7. Jetzt fühlte ich mich ein genervt. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand eine 7 hatte und damit meinen Einsatz callte. Daher setzte ich weitere $600,000. Doch mein Kontrahent, der mittlerweile zwei Paare hatte, ging mit $5 Millionen in Chips All-In. Ich hatte bis dahin $840000 gesetzt. Der Pot war mittlerweile auf $6.2 Millionen angewachsen.

Ich hatte noch rund $2.2 Millionen zur Verfügung. Wenn ich diese auch noch setzen würde, so hätte ich die Chance auf einen Gewinn von 4 Millionen. Also callte ich, wütend wie ich war – doch ich bekam auf dem River keine Karte zur Strait. Und so verlor ich weitere rund $3 Millionen, insgesamt $5 Millionen diese Nacht. Ich war fassungslos!!!. “Wie konnte er mich mit 72 callen? IDIOT!!!”s


Zu diesem Zeitpunkt konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Am nächsten Morgen jedoch war ich in der Lage zu begreifen, was in der vergangenen Nacht passiert war und die Resultate verblüfften mich wirklich.

All meine Überzeugungen waren nur Projektionen / Vorhersagen und keine davon entsprach der Wahrheit, führten aber dazu, dass ich mich wütend fühlte und begann meine Objektivität beim Spiel zu verlieren und zudem alle möglichen Dinge in die anderen Spieler hineinprojizierte. Lassen sie uns daher einen Blick auf jede einzelne Überzeugung werfen, die mich in den wütenden Zustand versetzt hatte.

Überzeugung 1: Diese Idioten sollten meine hohen Einsätze nicht mit schwachen Händen callen. Doch die Wirklichkeit sieht doch so aus: Ich wünschte die anderen Spieler würden mich mit schwachen Händen immer callen! Denn sie würden dabei nur manchmal mit Glück gewinnen doch aufgrund der Wahrscheinlichkeitsrechnung würden sie in der Mehrzahl der Fälle verlieren! Letzte Nacht hatte mein Gegner nur drei Chancen eine 7 und nur zwei Chancen eine 2 bei den nächsten zwei Karten zu bekommen.

Die Odds standen in diesem Fall 3,5:1 für mich. Natürlich könnte er eine Strait floppen, was ich aber nicht weiter in Erwägung zog. Doch was tat ich? In der weiteren Folge callte ich seine große Erhöhung, nachdem sich die Gewinnchancen zu seinen Gunsten geändert hatten. Ich war also der Idiot! Von den 44 Karten die übrig waren, gab es 8 Karten die mir eine Strait gebracht hätten: Ich hatte also nur eine 18% Chance zu gewinnen. Mit solch einer geringen Gewinnchance riskierte ich 2,2 Millionen um 4 Millionen zu gewinnen, weniger als 2:1 für meinen Einsatz. Wer also war der Idiot? Ich natürlich, doch ich projizierte den Idioten auf den anderen Spieler.

Überzeugung 2: Pokerspieler sollten vernünftig spielen
Nun, sollten sie? Nein, sie sollten immer so spielen wie dieser Typ, dann würde ich große Gewinne einfahren. Ich sollte derjenige sein, der vernünftig und objektiv spielt. Ich war der Idiot, doch ich verspottete stattdessen den anderen und machte ihn schlecht. All dies war eine weitere negative Projektion meinerseits.

Überzeugung 3: Die anderen Pokerspieler sollten mich respektieren
Ich fühlte mich respektlos behandelt und war deswegen verärgert, weil ich dieser Überzeugung nachhing! Ist es aber wirklich so, dass mich andere Spieler respektieren sollten? Natürlich nicht! Ich will doch, dass meine Gegner wie Idioten spielen und dabei denken, ich sei der Idiot (aber nur wenn ich es nicht bin). Was aber passierte tatsächlich?

Ich respektierte meinen Gegner nicht, ganz besonders nicht, als er mit seinen ganzen Chips All-In ging, mit nur zwei Paaren auf der Hand. Wie gesagt ich bekam nur eine Gewinnquote von 2:1 für eine unter 20%-ige Gewinnwahrscheinlichkeit. Doch ich forderte Respekt von dem anderen Spieler, ohne ihm selbst welchen zu geben.

Überzeugung 4: Mein Gegner markiert den starken Mann
So etwas mag ich überhaupt nicht. Aber schauen sie sich mein Verhalten an. Ich wettete zweimal, jeweils in Höhe des Pots, mit entweder dem Top- Paar oder dem zweitbesten Paar und nur einem Flush Draw. Wieder habe ich nur projiziert, denn ich war ja derjenige, der den starken Mann markierte, obwohl meine Gewinnchancen recht gering waren.


Überzeugung 5: Mein Gegner ist echt verrückt
Ich spielte Poker als ich wütend und damit nicht objektiv war. Ich hatte gerade 2 Millionen verloren, mehr als mein Limit für diesen Abend! Zudem war ich dabei, meine restlichen Chips zu riskieren, für eine Gewinnquote von lediglich 2:1 mit einer Gewinnwahrscheinlichkeit von nur 18%. Ich war also der Verrückte, der Irre und niemand anders!

Macht das, was ich letzte Nacht gedacht und gefühlt habe Sinn für Sie? Kommt es Ihnen vielleicht bekannt vor? Dann teilen Sie möglicherweise auch die folgenden Aussagen:
- Sie sind selbst für Ihre Resultate verantwortlich.
- Der psychologische Einfluss auf Trading und Poker ist enorm.
- Projektion beeinflusst die Wahrnehmung.
- Sie können einzig und allein Ihre Überzeugungen traden.

Fazit:
Wir erschaffen uns die Welt in der wir leben selbst (auf subjektive Art und Weise). Solange wir dies tun, adaptieren wir möglicherweise nützliche Überzeugungen und Glaubenssätze in dem Sinne, dass sie uns helfen effektiv zu traden. Und zum Schluss: All diese Erkenntnisse gelten meiner Meinung nach nicht nur fürs Pokern oder Traden, sondern sie haben für mich Allgemeingültigkeit.

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